Bayern-SPD feiert 120 Jahre voller Höhen und Tiefen

09. Juli 2012

Wer einen steifen Festakt erwartet hatte, der wurde am Sonntag, 8. Juli, bei der Bayern-SPD überrascht. Die offizielle Feier zum 120. Geburtstag des SPD-Landesverbandes Bayern war eine Mischung aus Rückblick, Gegenwartsanalyse und Ausblick – gespickt mit politischen Spitzen, kleinen Neckereien und Seitenhieben. Und das ganze gab’s serviert mit erstklassiger Musik vom Martina-Eisenreich-Quartett aus Bockhorn bei Erding.

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Das "Who is Who" aus der Bayerischen Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft hatte sich in Regensburg eingefunden, um der "alten Tante Bayern-SPD" zum 120. Geburtstag zu gratulieren. Am 26. Juni 1892 hatten sich Sozialdemokraten in Reinhausen, heute ein Stadtteil von Regensburg, zum ersten Landesparteitag zusammengefunden.

Einleitende Worte fand – noch unbeobachtet von den Fernseh-Kameras des BR – der Regensburger Bürgermeister Joachim Wolbergs. Über die Münchner Stadtgeschichte könne man in Regensburg nur lachen, meinte er in Richtung des dortigen Oberbürgermeisters Christian Ude. "Uns gab es schon, da war München noch eine Sandbank in der Isar!" Das brachte ihm auch beim Münchner OB ein Schmunzeln ein. Der kennt diesen Satz natürlich schon und denkt sich seinen Teil.

Die Generalsekretärin der Bayern-SPD, Natascha Kohnen, betonte, dass eine lange Reihe von Frauen und Männern in der SPD "Grundlegendes für die Demokratie" weitergegeben hätte, Sozialdemokraten hätten die "Grundwerte der Verfassung" erstritten. Als älteste demokratische Partei in Deutschland habe sich die SPD allen Diktaturen widersetzt, als Beispiel nannte sie das Nein zum Ermächtigungsgesetz Hitlers. Trotz vieler Erfolge gebe es aber immer noch jede Menge zu tun. So habe die SPD zum Beispiel 1919 zwar das Frauenwahlrecht erstritten, doch von Gleichberechtigung sei man noch weit entfernt.

Die Reihe der Grußworte eröffnete die Bayern-SPD dann mit einer "Weltpremiere", denn noch nie habe ein CSU-Ministerpräsident bei der SPD ein Grußwort sprechen dürfen. Er sei sich auch nicht sicher, ob sich alle hier im Saal tatsächlich darüber freuen, doch die, die sich nicht gefreut haben, "dürften sich aber auf unsere beiden Parteien gleichmäßig verteilen". Und dann zeiget Seehofer echte Größen und lobte die Errungenschaften, die die SPD in den letzten 120 Jahren erzielt hat. Das „Wertvollste und Edelste der Demokratie“ stamme von einem Sozialdemokraten - die Rede von Otto Wels zum Ermächtigungsgesetz: "Das Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!" Seehofer würdigte große Bayerische Sozialdemokraten der vergangenen 120 Jahre – Dr. Willhelm Högner, Käthe Strobl, Hans-Jochen Vogel, Renate Schmid, Franz Maget, Ludwig Stiegler. Sie seien Vorbilder und Brückenbauer, Streiter für die Demokratie und Kämpfer gegen den Rechtsextremismus gewesen. Seehofer gratulierte im Namen der ganzen Bayerischen Bevölkerung und wünschte eine gute Zukunft und viel Erfolg, "über das Ausmaß des Erfolges lassen Sie uns nächstes Jahr streiten".

Margarete Bause überbrachte die Grüße von Bündnis 90/Die Grünen. Sie zeigte ihre Hochachtung vor dem "Durchhaltevermögen, aber auch vor der Leidensfähigkeit" der Sozialdemokraten, denn „55 Jahre in der Opposition in Bayern, das muss man erst mal aushalten“. 2013 nun gebe es eine gute Chance auf einen politischen Neuanfang, auf einen politischen Aufbruch. Diese Chance dürfe nicht leichtfertig verspielt werden, man müsse sie nutzen, „nicht wegen uns, sondern wegen Bayern“. Florian Streibl überbrachte in Vertretung für Hubert Aiwanger die Grüße der Freien Wähler. Auch die SPD habe in ihrer Geschichte Fehler gemacht, aber sie habe sich nie an einer Schreckensherrschaft beteiligt, im Gegenteil, viele Sozialdemokraten seien im Dritten Reich für ihre Überzeugung in den Tod gegangen. In Bayern stelle sich ja auch gern so mancher die Frage, ob Sozialdemokratie hier überhaupt nötig sei, doch "diese Zeiten, so hoffe ich, sind glücklicherweise vorbei – oder sie sind es bald". Auch hier also gab’s einen kleinen Seitenhieb auf Ministerpräsident Seehofer, der diese Spitzen mit erstaunlicher Gelassenheit ertrug.

Florian Pronold, Landesvorsitzender der SPD in Bayern, blickt auf seinen eigenen Weg in der SPD zurück. Der Widerstand des damaligen Schwandorfer Landrates Hans Schuierer, den er in den Reihen der Ehrengäste begrüßen konnte, habe ihm dazu bewogen, seine politische Heimat bei der SPD zu suchen. Nicht nur zuschauen, sondern selber etwas tun, das sollte sein Ziel werden. In den vergangenen 120 Jahren habe es SPD-Politiker mit Ecken und Kanten gegeben. Die Geschichte der Bayern-SPD sei eine Geschichte von Kämpfen, von Niederlagen, aber auch vom Wiederaufstehen. Und nun hege er – nach 55 Jahren Ausbildungszeit – die Hoffnung auf Regierungsverantwortung für die SPD, so Pronold.

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Für die Bundes-SPD war der Partei-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach Regensburg gekommen, um die Glückwünsche der 440.000 SPD-Mitglieder außerhalb Bayern mitzubringen. Die SPD habe in ihrer Geschichte vieles überlebt: die Sozialistengesetze, Verbote, die Kaiserzeit, den ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, den Wiederaufbau, ein geteiltes Deutschland – und niemals habe man seinen Namen, so wie andere Parteien in Deutschland, ändern müssen. Die Idee eines freien Lebens für alle Menschen sei die Triebfeder für die Sozialdemokratie gewesen. Und das gelte auch für Europa. Der momentan laufende Kampf um Europa werde sich lohnen, gerade für die nachfolgenden Generationen sei es wichtig, heute richtig zu handeln.

Den Schlusspunkt unter die Geburtstagsfeier setzte der designierte Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Landtagswahlen 2013, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Er zielte vor allem auf die Landtagswahlen im Herbst 2013 ab. In der Geschichte der Bayern-SPD müsse sich auf jeden Fall etwas ändern, so Ude. Hier stutzte der ein oder andere. "Wir müssen künftig auch Wahlen gewinnen", gab er dann den Genossinnen und Genossen mit auf den Weg. Dafür müsse man aber auch aktiv etwas tun, denn "Wahlsiege kann man nicht einfach abwarten, komischerweise kommen sie einfach nicht". Ob die Wahlsiege kommen, das wird sich im Herbst 2013 zeigen. Am Sonntag hat sich jedenfalls eine weltoffene, moderne und doch traditionsbewusste SPD gezeigt, die zu allem bereit ist – trotz des hohen Alters von 120 Jahren!

Text & Fotos: Ursula Hildebrand

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